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Gerechtigkeit in der Pflege

Krankenpflege vs. Altenpflege: Sind uns Kranke wichtiger als Alte?

Krankenpflege-vs-Altenpflege

Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz sollen 13.000 neue Stellen in der Altenpflege geschaffen werden und Pflegepersonal in Krankenhäusern direkt aus den Töpfen der Krankenkassen bezahlt werden. Dass ansonsten beim Pflegestärkungsgesetz die Kranken- und nicht die Altenpflege im Vordergrund steht hat mehrere Gründe. Wir nehmen das Pflegegesetz und die heute beginnende Themenwoche der ARD zum Thema „Gerechtigkeit“ einmal zum Anlass zu ergründen, warum trotz des allgemeinen Pflegenotstandes Krankenpfleger mit Ihrem Job und dem dazu passenden Berufsbild tendenziell immer noch etwas besser dran sind, als Altenpfleger.

Im Krankenhaus wird man geboren, im Altenheim stirbt man

Alt werden wir alle mal….irgendwann. Doch krank wird fast jeder Bundesbürger schon in jungen Jahren. Die Chancen sind groß, bis zum 30. Lebensjahr mal ein Krankenhaus aufsuchen zu müssen – sei es wegen eines verknacksten Knöchels beim Fußball, einem Armbruch, wegen der Tätigkeit als Zivildienstleistender oder beim Besuch von Verwandten. Allein dadurch ist den meisten Menschen die Krankenpflege vertraut und ihr wird auch Bedeutung für das eigene Wohl beigemessen. Man kann ja immer mal einen Unfall haben oder einem das Schicksaal auf andere Weise schrecklich mitspielen. Die Leistung des Personals in Krankenhäusern – allen voran Ärzte und Gesundheits- und Krankenpfleger – wird also als wichtig in Bezug auf uns selbst erkannt.

Entscheidend ist auch: Hebammen, die Frauen bei Hausgeburten unterstützen, sind heutzutage die absolute Ausnahme. Kinder werden im Krankenhaus geboren. Schon in den ersten Wahrnehmungen eines Kindes wird somit trotz des Wortes ‚Krankenhaus“ eine positive Verknüpfung erstellt. Wo man selbst geboren wird, da kann es ja gar nicht schlecht sein.

Geburten sind schön und Krankheiten können uns jederzeit ereilen, doch alt werden hingegen ist lästig, für jüngere weit weg und passiert nicht von heute auf morgen. Damit setzt man sich höchstens als Kind auseinander, wenn Oma und Opa alt werden, ggf. gepflegt werden oder ins Heim müssen. Danach wird das Thema Alter“ erst wieder akut, wenn die eigenen Eltern nicht mehr so können, ggf. keine Geschwister in wohnortnähe sind, die sich kümmern können – oder wollen. Dann erst kommt das Thema Altenheim auf den Tisch und der Beruf des Altenpflegers / der Altenpflegerin gerät ins Blickfeld.

Altenpfleger pflegen oft Menschen in Heimen ohne enge familiäre Bindung, die alleine nicht mehr zurechtkommen, somit nicht mehr gesellschaftlich wirken und so ins Bewusstsein von anderen dringen können.

Altenpflege kann doch jeder – oder?

Der Gesundheits- und Krankenpfleger als Berufsbild ist also wesentlich öfter im Leben präsent, als jener des Altenpflegers.

Zudem wird ein Großteil der Pflege in Deutschland nach wie vor durch Familienangehörige übernommen – ggf. mit Unterstützung durch ambulante Pflegedienste. Dadurch entsteht leider mitunter die Auffassung, dass es für die Altenpflege ja gar keine große Qualifikation benötige, wenn sie ja durch quasi jeden erledigt werden kann. „Bettpfannen leeren und Ärsche abputzen“. Das ist leider das Bild, was nicht selten vor dem geistigen Auge erscheint, wenn das Thema auf die altenpflege fällt.

Die Krankenschwester – ein positiv verklärtes Berufsbild

Gesundheits- und Krankenpfleger sind hingegen als Bild vor dem geistigen Auge wahlweise Engel in weißen Kitteln, die in der Not zur Stelle sind und mütterlich-fürsorglich für die eigene Genesung sorgen. Der Begriff der Krankenschwester ist trotz der Arbeitsumgebung mit positiveren Assoziationen verknüpft. Dass diese absolut nichts mit der Realität des harten Berufsaltages zu tun haben, wird jeder Gesundheits- und Krankenpfleger nur allzu gerne bestätigen.  Wirkliche Schwestern sind ohnehin nur noch in sehr wenigen kirchlichen Krankenhäusern zu finden.

Wenn nun also sich Gesundheits- und Krankenpfleger über Zustände beschweren, können sie sich sicher sein, dass Menschen sich tendenziell eher für Ihre Sorgen und Nöte interessieren.

Beschweren sich nun Altenpfleger über zu schlechte Bezahlung und schlimme Arbeitsbedingungen erreichen Sie damit die Menschen aus oben genannten Gründen wesentlich schlechter. Daraus resultiert letztendlich auch, dass sie im politischen Umfeld nicht so präsent sind und letztendlich auf der Prioritätenliste stets die Belange der Krankenpflege unbewusst als wichtiger, drängender aufgefasst werden.

Schlechtere Bezahlung für Altenpfleger

Eine der Konsequenzen, die aus dem mangelnden Bewusstsein in der Bevölkerung für den Beruf des Altenpflegers erwuchsen, ist letzten Endes auch die schlechtere Bezahlung von Altenpflegern im direkten Vergleich zu Gesundheits- und Krankenpflegern.

Es verhält sich hier ähnlich, wie bei Grundschullehrern, die im Schnitt mehr als 600 Euro weniger verdienen, als ein Berufsschul- oder Gymnasiallehrer. Warum?

Angst vor dem Altwerden, negative Assoziationen, ein mangelndes Bewusstsein für das Berufsbild, eine schlechte Lobby und noch einiges mehr sorgen dafür, dass der Wert der durch Altenpfleger erbrachten Leistung allgemeingesellschaftlich wesentlich geringer eingeschätzt wird, als der von Krankenpflegern. Eine Arbeit, der weniger Wert und Bedeutung beigemessen wird, wird mit einem niedrigeren Gehalt vergolten. Dabei spielt es meist auch keine Rolle, ob sich im Laufe der Zeit die Anforderungen und der Beruf an sich komplett geändert haben. Ist das Image einmal in den Köpfen der Menschen braucht es sehr viel, um dieses zu korrigieren und so ggf. auch irgendwann die Bereitschaft für das Zahlen höherer Löhne zu erstreiten.

Problematisch: Hat sich das Bild gewandelt, braucht es erst einmal wieder lange Jahre, bis diese Veränderung sich auch in Menschen niederschlägt, die wieder eine Ausbildung – in diesem Fall zum Altenpfleger / zur Altenpflegerin – beginnen wollen.

Erst wenn die Angst einer großen Mehrheit der Menschen in Deutschland groß genug ist, wegen mangelnder Altenpfleger und zu geringer Löhne am Ende ihres Lebens mutterseelenallein, dement, wundgelegen, abgemagert und fixiert in einer Verwahranstalt für bald Sterbende zu landen, dann ist der Punkt erreicht, wo vielleicht doch viele darüber bereit sind nachzudenken, ob personelle Machtkämpfe in Berlin, Trumps neuste Entgleisungen oder Börsennachrichten vielleicht doch viel unwichtiger sind, als eine tägliche Debatte darüber, wie wir die Pflege in Deutschland gerechter gestalten können!


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